28. Juni: AVL-Studientag „‚Tipping Points‘. Balanceakte in der Literatur und Kultur“
28. Juni: AVL-Studientag „‚Tipping Points‘. Balanceakte in der Literatur und Kultur“
Berthold Auerbach (1812-1882) gehörte zu den berühmtesten Schriftstellern des 19. Jahrhunderts. Seine ,Schwarzwälder Dorfgeschichten' trugen zur Verbreitung eines neuen Genres bei, sein Barfüßele wurde schnell in viele Sprachen übersetzt, Roman um Roman trug seinen Namen in die literarische Welt, in der man ihn durchaus in einem Atemzug mit Autoren wie Sir Walter Scott, Honoré de Balzac oder Charles Dickens nannte. Doch schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann Auerbachs Entkanonisierung, seine Werke gerieten weitgehend in Vergessenheit, und wenn er denn literaturhistorische Beachtung fand, dann stand diese zumeist im Zeichen abschätziger Bewertungen. Aus heutiger Sicht ist der jüdische Autor nicht nur deshalb von Interesse, weil sich sein Werk in einem Spannungsfeld zwischen den ,Literatursystemen' von ,Vormärz' und ,Nachmärz' bewegt. Er ist es auch, weil sich mit seiner Person spezifische, zugleich aber zeittypische Probleme der Identitätsfindung verknüpfen und weil er als Berufsschriftsteller in aufschlussreicher Wechselwirkung mit einer Epoche agierte, die auf dem Weg zur nationalen "Einheit" unter besonderen Bedingungen auch neue Formen einer als "Theil des nationalen Daseins" (Robert Prutz) verstandenen (Unterhaltungs-)Literatur hervorgebracht hat - wobei Auerbachs Texte brennpunktartig eine Vielzahl diskursiver Stränge bündeln und immer auch die soziokulturellen und politischen Transformationen ihrer Zeit verhandeln. Der vorliegende Band baut auf einem durch die neuerdings sehr rege Auerbach-Forschung verbesserten Kenntnisstand auf und versucht seinerseits, den Blick auf die Resonanzräume, d.h. die Kontext- Relationen von Werk und Autor zu erweitern und zu vertiefen.